ich bin ein großer Freund der russischen Literatur: Dostojewski, Tolstoi, Puschkin, Platonow, Bulgakow, u.v.a.m.…. Russland hat bleibend zum kulturellen Erbe der Menschheit beigetragen.
Und jetzt? Krieg.
Das schmerzt.
Themenwechsel:
Betrachten wir den Zustand der Erde, so betrachten wir eine andauernde Zerstörung. Diese Zerstörung und der damit einhergehende Verlust der heimatlichen Umwelt kann zu psychisch belastenden Gefühlen führen, zu einem empathischen Mit-Leiden an Ökosystemen:
Solastalgie – Leiden mit und an der Landschaft - NATÜRL-ich (blognatur.com)
Doch im Unterschied zur Situation in der Ukraine gibt es dabei keinen Krieg gegen die Natur, die Zerstörung ist vielmehr eine unbeabsichtigte Schadnebenfolge unserer Zivilisation. Daher ist auch die Verantwortung weniger leicht zuschreibbar. Doch um diese Absichtslosigkeit der Zerstörung wissen wir auch schon seit Jahrzehnten – auch das schmerzt.
Themenwechsel:
Im Individuellen haben sich gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Partnerwahl drastisch verändert; das zu wissen, hilft die Lage zu verstehen, lindert jedoch kaum das individuelle Wehtun von gescheiterter Liebe.
Alle drei Themen haben, fokussiert man auf eine soziologische Perspektive einiges gemeinsam; es ist ein jeweils gesellschaftlich und nicht individuell verursachtes Unglück. Für die Soziologin Eva Illouz liegt das darin, dass inzwischen auch zwischenmenschliche Liebe von rationalen Überlegungen und ökonomischen Abwägungen durchdrungen ist. Austauschbarkeit ersetzt Beständigkeit, Loslassen ersetzt den Einsatz für andere. Was dem Ich dient steht im Zentrum, was in einer Bindungsangst mündet, wenn Liebe zu einem Investment in rationalem Kalkül wird. Dann gibt es Fehlinvestitionen und ein serielles Umschichten der Ressourcen. Verbindlichkeit auf Dauer ist nicht vorgesehen. Das „narzisstische Paradoxon“, wie es der Philosoph Peter Strasser beschreibt, liegt nun darin, dass die Befreiung aus vermeintlichen Fesseln eben keinen Lebenshorizont hervorbringt, der innerlich wirklich freimacht. Denn das Ressourcenkalkül nimmt sich den Maßstab aus dem Zeitgeist der Gesellschaft und ersetzt Verbindlichkeit durch das fortwährende Neuaushandeln von Beziehungsoptionen.
Also: Russland zu verstehen lindert nicht den Schmerz, die Umweltzerstörung zu verstehen lindert auch nicht den Schmerz über den Verlust von Natur, Beziehungsmuster zu verstehen verschafft auch nur scheinbar Erleichterung. Oder, wie es Julian Barnes in „The Only Story“ beschreibt: „Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?“
Was könnte helfen?
Zunehmend kursiert das neue Zauberwort Resilienz. Anpassungsmaßnahmen, um den Wechselfällen des Lebens auf individueller oder gesellschaftlicher Ebene (Klimaresilienz als Anpassung an den Klimawandel, Resilienz von Ökosystemen) begegnen zu können. Hinter dem Resilienzgedanken steht immer auch die Hybris, ein individuelles oder globales Subjekt könne alles steuern und in neue Pfade lenken. Es ist ein erneutes Auflodern eines alten Machbarkeitswahns der Menschheit: Wir stärken unsere Widerstandskraft als Individuum und als Gesellschaft und müssen dann nichts grundsätzlich ändern. Denn was der Menschheit dabei, in der Maxime der Selbstverwirklichung, abhandengekommen ist, ist Bescheidenheit, Demut, Demut der Natur gegenüber, dem Mitmenschen gegenüber.
Auch das schmerzt.
Doch Demut ist keine erbärmliche Unterwürfigkeit, Demut ist vergeschwistert mit Achtsamkeit und Güte; Demut ist der Mut auch für andere einzustehen oder das Anerkennen einer gewaltigen Natur; daraus kann sich eine Liebe entwickeln, in der frei von Schmerzen, Freude erwächst.
JR