2 Minuten Lesezeit
02 Apr
02Apr

Waldkindergärten oder Schulgärten bieten die Angebote, Kindern Naturkontakte zu ermöglichen, welche einerseits positiv auf Wohlbefinden und Gesundheit wirken können und andererseits eine Sensibilität für die umgebende Natur steigern können. Den Ursprung dieser Form von frühkindlicher Bildung findet sich Ende des 19. Jahrhunderts in Schweden. Waldkindergärten sind in Deutschland eine relativ junge Entwicklung, die seit den 1990er Jahren jedoch steigenden Zuspruch erfährt. So gibt es in Deutschland aktuell etwa 2000 Natur- und Waldkindergärten (BVNW 2022).

 Waldkindergärten haben zwar jeweils individuelle pädagogische Konzepte; gemeinsam ist ihnen jedoch, dass Kinder einen Großteil der Zeit draußen, im Wald oder am Waldrand verbringen. Zentrale pädagogische Anliegen sind in der Förderung der Eigenverantwortlichkeit und dem Erfassen ganzheitlicher Zusammenhänge zu sehen, einer gezielten Gesundheitsprävention und der Ermöglichung von Naturerfahrung. In der Natur können Kinder selbstständig und mit allen Sinnen aktiv sein, sie erleben sich als selbstbestimmt in einem nicht von außen strukturiertem Umfeld. Damit erhalten Kinder Freiräume zum eigenen Entdecken; es werden vielfältige Bewegungsanreize gesetzt, die das Klettern auf Bäume umfassen, das Balancieren auf Baumstämmen, die Wahrnehmung von unebenem und unterschiedlich hartem Boden oder das Barfuß laufen.

 Naturobjekte, wie Steine, Blätter, Moos oder Zapfen unterschiedlicher Koniferen unterscheiden sich von standardisieren Spielmaterialen und bieten daher auch vielfältigere Einsatzmöglichkeiten und Anregungen zur Fantasie. Zusätzlich findet in Waldkindergärten eine stärkere Sensibilisierung für Hygiene statt. Kinder erhalten hier die Möglichkeit zu spielen, toben, sich Neues zuzutrauen und sich damit selbstwirksam zu erleben. Zur Entwicklung des Selbstbewusstseins ist dieses Ich-Erleben wichtig. Es lassen sich weitere positive Effekte dieser Form der frühkindlichen Bildung auf körperlicher Ebene heraus stellen: dies umfasst eine Verbesserung in Bewegungsabläufen, Ausdauer, Kraft, Koordination und Motorik. Eine Steigerung des psychischen Wohlbefindens ist auch hinlänglich belegt. Waldkindergärten lassen auch das Wetter und den Verlauf der Jahreszeiten unmittelbarer erleben als in einem gewöhnlichen Kindergarten, wo die Kinder im Gebäude vor Wetterextremen geschützt sind. 

Dies kann sich gleichwohl auch nachteilig auf die Stimmung von Kindern auswirken, wenn sie aufgrund einer schlechten Witterung längere Zeit in einem engen, schlecht isolierten Bauwagen verbringen müssen. In der kindlichen Entwicklung folgt auf den Kindergarten der Schulbesuch, Waldschulen haben sich bislang nicht etabliert, jedoch gibt es über Schulgärten zahlreiche Ansätze, Naturkontakte auch in den Schulalltag zu integrieren. 

Die Idee von Schulgärten findet sich bereits bei Johann Amos Comenius (1592-1670). In seiner Didacta magna (1638) schreibt Comenius, dass die Schule ein Unterrichtsort sein soll, der Lernen in einer angenehmen Atmosphäre erleichtert. Schulgärten bilden einen unentbehrlichen Teil dieser Atmosphäre:  

„Die Schule soll ein angenehmer Ort sein, eine Augenweide nach Innen und Außen. […] Außerhalb soll aber bei der Schule nicht nur ein freier Platz zum Spazierengehen und Spielen, (denn dieß ist der Jugend durchaus nicht vorzuenthalten […]), sondern auch ein Garten gelegen sein, in den die Schüler bisweilen eingelassen und wo sie angehalten werden, ihre Augen an dem Anblicke der Bäume, Blumen und Kräuter zu weiden. Wenn die Sache so eingerichtet wird, so werden die Schüler wahrscheinlich mit nicht geringerem Vergnügen in die Schule gehen, als sonst zu den Jahrmärkten, wo sie jederzeit etwas Neues sowohl zu sehen als auch zu hören sich verhoffen“ (Comenius 1892: 110f.). 

Schulgärten können ganz unterschiedlich gestaltet sein, doch generell handelt es sich um einen abgegrenzten Bereich auf dem Schulgelände, an dem Zierpflanzen bzw. unterschiedliche Kulturpflanzen angebaut werden. Bisweilen finden sich auch kleine Teiche in Schulgärten zusätzliche Elemente wie Fassadenbegrünung; Trockenmauern oder Vogelhäuschen und Insektenhotels ergänzen solche Areale. Damit werden vielfältige Angebote zur Naturbegegnung und –beobachtung gemacht. Dem „Verlust an Naturerfahrung“


Extinction of experience – der Verlust an Naturerfahrung - NATÜRL-ich (blognatur.com)


kann damit entgegengewirkt werden. 

Zusätzlich lassen sich positive gesundheitliche Aspekte erzielen, die auch in spezifischen Gartentherapien gezielt Anwendung finden: Eine Gartentherapie umfasst den zielgerichteten Einsatz der Natur zur Steigerung des psychischen und physischen Wohlbefindens der Menschen. Dies erfolgt flankierend zu klassischen Behandlungen sowohl bei medizinischen Therapiegründen (z.B. Demenz, Morbus Alzheimer) als auch bei psychisch bedingten Krankheitsbildern (z.B. Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörung, Suchtkrankheiten). Auch bei Kindern und Jugendlichen dienen unterschiedliche Formen der Gartentherapie einer ganzheitlichen Ergänzung zu herkömmlichen therapeutischen Strategien. Denn es lassen sich zahlreiche gesundheitsfördernde, -stabilisierende und –erhaltende Faktoren benennen:

Auf psychischer Ebene ist es Entspannung, Stressabbau und die Erholung von geistiger Ermüdung, welche auch zu einer Konzentrations- und damit Leistungssteigerung führt. Körperliche Aspekte der Gartenarbeit lassen sich mit einer Stärkung der Handmuskulatur oder der Herzaktivität beschreiben. Im gemeinsamen Miteinander erfährt auch der soziale Aspekt von Gesundheit eine Förderung. Das Beobachten der sich ändernden Natur im Jahresverlauf verstärkt das Verständnis für zeitliche Abläufe und die eigene Handlungswirksamkeit in der Gartenarbeit. Darüber hinaus sind Schulgärten im Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zentrale Lernorte, um ökologische, ökonomische und soziale Belange miteinander zu verknüpfen. Gestaltungskompetenz und Partizipation sind in diesem Konzept wichtig, damit dem Einzelnen die Konsequenzen seiner Handlung bewusst werden. Gerade in zunehmend urbaneren Wohnumfeldern kommt Schulgärten eine zentrale Rolle zu, Naturbeobachtung und ein multisensorisches Naturerleben zu ermöglichen und eigene Aktivität wird durch die Pflege von Pflanzen und ggf. Tieren gefördert. Dadurch wird die kindliche Neugierde geweckt und gesteigert und im Experimentieren eine Verbundenheit zur Natur entwickelt. Schulgärten bieten damit Zusatznutzen (Co-Benefits), indem gesundheitliche Aspekte der SchülerInnen ebenso gesteigert werden, wie naturschutzrelevante, dadurch, dass die Sensibilisierung für die umgebende Natur aus dem Schulgarten hinausgetragen wird und über Peergroups MultiplikatorInneneffekte zeitigt.

Doch nicht nur Kinder und Jugendliche auch wir Erwachsenen profitieren mannigfaltig von Naturkontakten.

JR

Kommentare
* Die E-Mail-Adresse wird nicht auf der Website veröffentlicht.