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23 Dec
23Dec

Wann, wenn nicht in dieser Zeit, die Liebe nicht nur zu geben vorgibt, sondern auch von uns fordert, können wir in einem Blog, der sich unsere Mitwelt zum Thema gemacht hat, von Freundschaft sprechen? Freundschaft ist nicht als Gefühl zu verstehen, Freundschaft ist eine besondere Form der Bindung, des Einander-Zugetanseins. 

Dass Freundschaft (romantische) Liebesbeziehungen überdauern kann, dass Freundschaft sogar manchmal stabiler ist als Geschwisterbeziehungen oder Beziehungen innerhalb von Herkunftsfamilien, ist bekannt. Doch weshalb? Freunde wählen wir. Freundschaft beruht auf Freiwilligkeit. Natürlich spielt der Zufall eine große Rolle, wer Freund wird: Die Psychologie zeigt, dass wir meistens jene Menschen als Freunde suchen und gewinnen, die zufällig mit uns zu tun hatten: In der Schule oder Uni neben uns saßen, ins selbe Fitnessstudio gehen, Arbeitskollegen sind. 

Nähe macht Liebe, sagt die Psychologie. Und sie scheint Recht zu haben, immer dann, wenn ich auch Wahlfreiheit habe: Zwangsbefreunden kann sich niemand, Zuneigung ist ausschlaggebend. Und diese kann spontan gegeben sein – oder langsam entstehen. Wie Liebe.

Filia als einer der drei Hauptpfeiler einer Liebesbeziehung, wie sie Viktor Frankl beschreibt (neben eros und agape ein tragender Pfeiler von Bindung!), begleitet uns durchs Leben.


Vielleicht haben deswegen so viele Philosophierende deswegen auch doch reichlich viel zur Freundschaft zu sagen gehabt – allen voran natürlich Aristoteles. Doch auch Montaigne, Kant und natürlich Arendt bezogen explizit Stellung. Es war Aristoteles, der Freundschaft als Freiheit verstand. Er beschrieb Freundschaft als Austausch: In diesem Austausch können wir erfahren, was es heißt, zu empfangen und zu geben.  Doch meinte er damit nicht das Schwäbische „eine Hand wäscht die andere“, er meinte: dass wir keine Gefallen begehren sollten, denn nur, wer unglücklich ist, hängt von ihnen ab. Freundschaft bedeutet vor allem Freiheit, der tugendhafteste Zustand des Seins.” 

Drei Formen der Freundschaft führte Aristoteles auf, die interessierte (auch instrumentalisierende) Freundschaft, die vergnügliche Freundschaft, bei der gemeinsamer Spaß im Vordergrund steht, und schließlich die perfekte Freundschaft, die auf Güte basiert. Für Aristoteles besteht Freundschaft darin, für seinen Freund das Beste zu wollen - und darüber hinaus auch zu versuchen, das für ihn zu erreichen. 

Diese perfekte Freundschaft existiert nicht nur, weil sie nützlich ist oder uns Vergnügen bereitet: Hier ist aufrichtige Wertschätzung für den anderen der Ursprung und Kitt, der Menschen zusammenhält.


Michel de Montaigne hingegen verstand Freundschaft als Verschmelzung. Er verfasste eigens einen Essay „Über die Freundschaft“ und unterschied die wahre von der gewöhnlichen Freundschaft, die nicht auf der selben Stufe stehen dürften.

Gewöhnliche Freundschaft baut auf pragmatischer oder sogar utilitaristischer Logik auf, die sich aus einer Zweck-Nutzen-Kalkulation heraus ergibt. Wahre Freunde suchen wir uns hingegen nicht aufgrund ihrer hilfreichen oder liebenswerten Eigenschaft aus, sondern um ihrer selbst willen. Diese Bedingungslosigkeit der Freundschaft meint, dass zwei Menschen zu einer Seele und einem Willen verschmelzen.  Wahre Freunde werden somit ein Teil des eignen Ichs und ihnen ist genauso zu vertrauen wie sich selbst.  


Auch Immanuel Kant beschreibt drei Arten von Freundschaft: die des Nutzens, des Geschmacks und der Gesinnung. Die Gesinnungsfreundschaft ist dabei die bedeutendste, nicht, weil die Freunde die Meinung teilen würden, sondern die Werte, also die Prinzipien. Reziprokes Wohlwollen ist ihnen gewiss. So rückt Vertraulichkeit auch im Gespräch in den Vordergrund: Der offene Austausch wird zur „Zuflucht“ in einer Welt, in der wir anderen oft misstrauen.

Auch für Hannah Arendt zeigt sich der Wert einer Freundschaft im Gespräch. Und doch ist echte Freundschaft politisch, meint und erinnert sie. Wahre Freunde reden über die Welt, die sie miteinander teilen – weitaus mehr als über ihre eigenen Befindlichkeiten. Freundschaft bildet hier eine Grundlage für politisches Handeln. Darüberhinaus hilft der Austausch mit Freunden dabei, seinen Verstand und seine Meinung zu schärfen, auch, die Welt besser zu verstehen. Diskurs und gegenseitiger Respekt, auch bei unterschiedlicher Meinung, sind zentral.


Für mich bedeutet Freundschaft vor allem, sich mit Wohlwollen und Respekt gegenüberzustehen. Den anderen nach seinem besten Ich behandeln, sein Potenzial, nicht seine Fehler unterstützen, seine Schwächen gegenseitig auszugleichen und die Stärken zusammenzuwerfen. In dieser Haltung können wir allem Lebendigen begegne, Menschen, Tieren, sogar der Natur als Mitwelt. Wir können so das Wohl des Gegenübers auch ab und zu über unser eigenes stellen, weil wir in unserer Zuwendung bedingungslos sind.  Was bedeutet für euch Freundschaft, was bedeutet euch Freundschaft? 


MF

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