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06 Feb
06Feb

Die Welt ist längst aus den Fugen geraten: Während die Treibhausgaskonzentration der Atmosphäre ansteigt, sinkt die Biodiversität weltweit. Während die Weltbevölkerung und deren Lebenserwartung ansteigt, steigt auch die Anzahl an „Zivilisationskrankheiten“. Wir werden mehr und leben länger, aber leben wir auch besser? Seit Jahrzehnten überfordern wir globale Ökosysteme und wenn man sich zahlreiche „Zivilisationskrankheiten“ anschaut, auch uns selbst. Im Hamsterrad des Alltags verbrennen wir uns und gleichzeitig den Planeten. 


Die Mäßigung ist neben der Tapferkeit, der Gerechtigkeit und Klugheit eine der vier platonischen Kardinaltugenden. Platons Begriff der Sophrosyne σωφροσύνη ist mit Mäßigung nur mäßig gut übersetzt; Besonnenheit, Beherrschung, Zucht und Maß sind Varianten einer Übersetzung. Mäßigung gilt in der antiken Tugendethik ebenso wie in der christlichen als eine wesentliche menschliche Tugend. 

Nun, Tugend darf dabei nicht mit Pflichten und Regeln verwechselt werden, auch nicht mit einer bornierten Spießbürgerlichkeit, die, die Ellenbogen auf ein Kissen gestützt, aus dem Fenster schaut, ob die Nachbarschaft in Zucht und Ordnung lebt. 

„Aus der Not eine Tugend machen“ geht in die Irre, denn Tugend erfordert Mut und ist nicht die Verzweiflung aus der Not heraus. Tugend ist vielmehr das „Äußerste dessen, was ein Mensch sein kann; sie ist die Erfüllung menschlichen Seinkönnens“ (Josef Pieper 1957). Tugend ist daher nicht die biedere Bravheit sondern vielmehr eine starke Menschlichkeit, die in dem Wort „Bravourstück“ noch mitschwingt; Tugend ist Tüchtigkeit, welche auch danach strebt, ethische Apathie und Empathiarmut zu überwinden; ist mithin menschliche Vortrefflichkeit. Gleichzeitig ist die Suche nach dem rechten Maß an Selbsterkenntnis gebunden an ein Nachdenken über die eigene Stellung im zeitlich sich ändernden Gefüge zur menschlichen und nichtmenschlichen Mitwelt. 


https://www.blognatur.com/majos-blog/du-musst-dein-leben-%C3%A4ndern 


Wir können weiter der Zuspitzung der ökologischen Krise, die grundsätzlich auch eine geistige ist, zusehen, bis der Zwang zur individuellen Einschränkung von außen kommt oder wir können mutig unser Leben in Bahnen lenken, die uns von Zivilisationskrankheiten befreien und ein gutes Leben ermöglichen. Tugend ist hier nicht deckungsgleich mit einem asketischen „möglichst wenig“, oder einem Suffizienzansatz, der sich, dem quantitativen Denken verhaftet, darauf versteift CO2-Bilanzen und Fußabdrücke zu minimieren. Das entspricht eher dem Denken eines Anorektikers, der Kalorien zählt, doch das schafft letztlich zusätzlichen Druck und ist auf Dauer eben nicht gesund. 

https://www.blognatur.com/majos-blog/das-gute-leben-in-einem-guten-leben 


Maßhalten; die vermeintliche Einschränkung, die in einem tugendhaften Leben grundgelegt ist, ist vielmehr das Öffnen neuer Freiheiten. Wenn ich nicht, um die Anerkennung anderer buhlend, viel des Äußeren bedarf, bin ich wesenhaft freier. Denn ein tugendethischer Ansatz zentriert auf die qualitative Ebene; auch ist das rechte Maß ein jeweils individuelles. Diese qualitative Ebene liegt etwa dem Staunen über die Natur zugrunde. Wo hingegen der naturwissenschaftliche Naturbegriff, Natur als eine Ansammlung von Fakten begreift, die uns ermächtigen, Natur zu kontrollieren, vorherzusagen und zu beherrschen. Auch diesen Naturbegriff brauchen wir, wir brauchen ökologisches Wissen, Wissen um komplexe Zusammenhänge aber wir dürfen darüber nicht das naive Staunen, die Faszination oder das Gehaltenwerden in Atmosphären verlieren. 


Darüber, über ein tugendhaftes Leben, nachzudenken, ist bereits ein Gewinn doch das Gute setzt sich leider nicht von alleine durch, es erfordert Engagement, das ein „sich- bedienen-lassen“ auch durch eine dienende Haltung ersetzt. Unsere Mitwelt ist dann nicht mehr die Ressource, die uns dient, wir setzen uns für sie ein, weil wir darin unser Glück erkennen. Dieser Einsatz erfordert Mut zur Tugend!

JR

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