Anno 2025 wird Weltraumtourismus greifbar: Wer eineinhalb Millionen zur Verfügung hat, kann für 12 Minuten ins All starten.
Einer der ersten Sätze, die ich auf Chinesisch lernte, war: „Ich interessiere mich für Astronomie.“
Warum?
Weil das All tatsächlich eine große Faszination auf mich ausübt.
Was das bedeutet?
Nun, dass ich unglaublich gerne Astronautin geworden wäre. Was ich nicht bin, weil nun einmal, wie meist, das Leben dazwischen kam. Doch würde ich deshalb, wenn ich millionenschwer wäre, mir den Luxus eines Raketentrips ins All erlauben? Meine Antwort ist klar: Nein. Nein, weil nun einmal die Erde unser Heimatplanet ist, auf dem wir leben und wohl noch einige Jahrhunderte festsitzen – wenn die Erde solange durchhält. Genau das gilt es jedoch sicherzustellen: Indem wir sie achten, indem wir sie schützen.
In einer Welt, in der Menschen ihre Bambuszahnbürsten mit Stolz auf Instagram präsentieren und ihre Avocado-Bowls in kompostierbaren Schalen servieren, scheint eines zunehmend aus dem Ruder zu laufen: der Aufstieg des sogenannten „nachhaltigen Jet-Set-Lifestyles“. Während das Fahrrad auf dem Weg zum Bioladen als Statement für Umweltschutz dient, steigen dieselben Menschen – bevorzugt Prominente mit ausgeprägtem Mitteilungsbedürfnis – wenige Wochen später in ein Raumschiff, um für ein Selfie mit der Erdkrümmung kurz ins All zu fliegen.Raumfahrt als Wochenendtrip – der neue Trend unter den SuperreichenSeit dem erfolgreichen PR-Raketenstart von Richard Bransons Virgin Galactic im Jahr 2021 hat sich der suborbitale Raumflug zur neuesten Freizeitaktivität für Superreiche entwickelt. Jeff Bezos (Blue Origin) und Elon Musk (SpaceX) stehen ihm in nichts nach. Das Versprechen: ein paar Minuten Schwerelosigkeit, ein Ausblick auf den „blauen Planeten“ – und ein ökologisches Desaster, das die CO₂-Bilanz eines Durchschnittsbürgers für mehrere Jahrzehnte übertrifft.Ein suborbitaler Flug, wie ihn Virgin Galactic anbietet, verursacht etwa 60–90 Tonnen CO₂ pro Passagier – je nach Berechnungsmodell.
Zum Vergleich: Ein Hin- und Rückflug von Berlin nach New York liegt bei ungefähr 3 Tonnen CO₂ pro Person. Oder anders gesagt: Der Weltraumtourist bläst in 10 Minuten das 20- bis 30-Fache eines Transatlantikfluges in die Atmosphäre – für ein bisschen Schweben und ein fragwürdiges Instagram-Highlight.Raketen-Emissionen: Ein exklusiver Beitrag zur ZerstörungWährend kommerzielle Flugzeuge ihre Emissionen in der Troposphäre hinterlassen, gelangen Raketenabgase direkt in die höheren Schichten der Atmosphäre – insbesondere in die Stratosphäre, wo sie nicht nur das Klima beeinflussen, sondern auch die Ozonschicht angreifen. Besonders problematisch sind dabei Rußpartikel (Black Carbon), die bei der Verbrennung von Raketentreibstoffen entstehen. Laut einer Studie der University of Colorado (Ross et al., 2010) haben diese Partikel dort oben eine deutlich stärkere Erwärmungswirkung als in Bodennähe – bis zu 500-mal klimawirksamer als CO₂.
Außerdem setzen viele Raketen Stickoxide frei, die den Ozongehalt verändern und indirekt zur globalen Erwärmung beitragen. Die Belastung durch einen einzigen Raketenstart entspricht dem Jahresausstoß von mehreren Hundert Autos – wohlgemerkt: für ein einzelnes Event mit wenigen Passagieren.Der grüne Widerspruch – Alltagsethik vs. LuxusverhaltenWas diesen Trend so grotesk erscheinen lässt, ist nicht allein die astronomische Umweltbilanz, sondern das damit einhergehende Greenwashing.
Dieselben Persönlichkeiten, die sich öffentlich für Klimaschutz aussprechen, vegan leben, ihr Mineralwasser in Glasflaschen ordern und beim Modekauf auf „nachhaltige Baumwolle“ achten, sehen offenbar kein Problem darin, sich in ein fliegendes CO₂-Monster schießen zu lassen – unter dem Vorwand, die Schönheit der Erde „wirklich zu verstehen“.Es ist ein Symbol für das, was man alsökologischen Klassismus bezeichnen könnte: Der einfache Bürger soll seinen CO₂-Fußabdruck senken, während die Elite ihre Emissionen in neue Sphären katapultiert. Und wenn dann noch Influencer*innen erklären, dass der Flug ins All sie „spirituell verändert“ habe, möchte man ihnen gerne eine einfache BahnCard 100 schenken – um ihnen die gleichen Erlebnisse bei der Fahrt durch Brandenburg zu ermöglichen.
Der andere Wahnsinn: Der Mallorca-Moment
Doch nicht nur der Blick ins All wird zur CO₂-Falle. Auch der „kleine“ Wochenendtrip nach Mallorca trägt zur Klimabilanzkatastrophe bei. Ein Hin- und Rückflug von München nach Palma verursacht rund 0,5 Tonnen CO₂ pro Person – weniger als ein Raketenstart, aber bei Millionen von Touristen jährlich eine beachtliche Summe.
Und doch ist auch hier das Phänomen zu beobachten, dass Menschen mit großem ökologischen Anspruch im Alltag diesen durch völlig unnötige Kurzstreckenflüge ad absurdum führen.Die Absurdität gipfelt darin, dass dieselben Personen, die sich für „plastikfrei“ engagieren und bei 15 Grad Raumtemperatur gegen den Klimawandel kämpfen, nach drei Tagen Sangria am Strand wieder ins Flugzeug steigen, um zuhause auf der Klimademo Transparente zu tragen.
Klimaschutz ist kein Accessoire!
Der Weltraumtourismus ist das neue Statussymbol – und ein besonders zerstörerisches obendrein. Wenn eine Handlung mehr CO₂ produziert als das ganze Leben eines Durchschnittsmenschen in Burkina Faso, dann ist es an der Zeit, das „Erlebnis“ zu hinterfragen. Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Einkauf im Bioladen, sondern bei der Bereitschaft, auf unnötige Exzesse zu verzichten – sei es der Flug ins All oder das Wochenende auf den Balearen.Wirklich „spirituell verändert“ wäre man vielleicht, wenn man den blauen Planeten nicht aus dem Orbit betrachtet, sondern beginnt, ihn auf dem Boden zu schützen. Und das ganz ohne Rakete.
Quellenangaben
MF