Es wirkt ambivalent: Auf der einen Seite klagen viele Menschen ihr durch angebliche Narzissten verursachtes Leid. Auf der anderen Seite können wir lange suchen, um den narzisstischen Kriterien, den großen „vier E“, NICHT in unserer Auseinandersetzung mit dem Mitweltschutz und damit unserem Alttag zu begegnen. Sind gar die, die andere des Narzissmus bezeichnen, selbst welche?
Vereinfacht beinhaltet der Narzissmus als Persönlichkeitsakzentuierung Egozentrik, Empfindlichkeit, Empathielosigkeit und Entwertungsneigung anderen gegenüber. Dabei sind diese Charakteristika keine intentional gewählten Strategien – sie sind als Persönlichkeitsattribute bereits auf sehr früher Ebene wahrnehmungsbestimmend.
Menschen mit narzisstischer Disposition erleben sich in ihrem ganzen Sein als verletzbar, als im Fokus der Aufmerksamkeit und Absicht der anderen stehend. Sie erleben das Leben als Wettbewerb und sich selbst i.d.R. dabei als übervorteilt. Die vermeintlichen Privilegien der anderen gilt es zu kompensieren, den fremden „Wettbewerbsvorteil“ aufzuholen. Und das scheint in unserer Gesellschaft eben nur mit dem Ausfahren der Ellenbogen zu gelingen. Mit Empathie gelingt dies nicht, diese würde eben jenem ja im Wege stehen.
Wenn wir diese vier E auf gegenwärtig verbreitetes Verhalten unserer Mitwelt gegenüber übertragen, finden wir unsere vier E bestätigt:
- Egozentrik: Selbst, wenn wir unser ehemals geozentrisches durch ein heliozentrisches Weltbild lange schon ersetzt haben, trifft dies noch nicht auf unsere Wahrnehmung als Menschen zu. Wir verharren in einem allumfassendes Anthropozentrismus. Wir halten uns für den Mittelpunkt der Welt – und können uns mit zunehmender narzisstischer Tendenz nicht einmal in sozialen Vernetzungen als Teil eines Ganzen betrachten. Wir behandeln unseren Planeten und unsere Mitgeschöpfe als uns zur Verfügung stehende Ressourcen, die wir einfordern, auf deren Verfügbarkeit wir einen Anspruch zu haben glauben.
- Empfindlichkeit: Eben weil wir uns Mittelpunkt des Geschehens sehen, erleben wir oft genug an sich neutrale Ereignisse als Affront gegen uns selbst. Was, wir sollen nicht mehr so viel Auto fahren? Nicht mehr fliegen? Plastik sparen? Habe ich denn kein verfluchtes Recht, mein Leben so zu leben, wie ich es will, und sei es darum, dass ich zum Junggesellenabschied nach Malle jette oder meine Kippen auf der Fassade des herrschaftlichen Praxis-Gebäudes ausdrücke und natürlich dort liegen lasse, weil es dort keine Aschenbecher gibt? Das ist doch ein persönlicher Angriff auf meine Komfortzone! Da will mich jemand fertig machen!
- Empathielosigkeit: Der Narzisst (und Narzissten als solche gibt es nicht, das ist uns durchaus klar!) sieht seine Mitwelt schwerlich als lebendes System. Er bewertet die Welt anhand dessen, was er sich von ihr verspricht: Für ihn sind Planet, Lebewesen, Menschen nutzbare Ressourcen, die er ge- und ver-braucht. Autonomie, eigenes Erleben nimmt ein Narzisst in der Mitwelt, die für ihn nur Um-Geb-ung ist, kaum oder nicht wahr. Deshalb schmerzt es den im Narzissmus gefangenen und verurteilten Menschen nicht, die Erde zugeteert, verwahrlost und vermüllt zu sehen. Plastikmeere sind maximal ein Ärgernis, wenn der Kunststoff angespült wird oder im Thunfisch auf dem Teller ein Plastikverschluss mit gegart wurde. Dass die Welt vor die Hunde geht, ist aus narzisstischer Wahrnehmung heraus für ihn selbst, nicht für die Welt schade.
- Entwertung: Aus der empfundenen Kränkung heraus und unter Absprache fremder Empfindlichkeit, aus der fehlenden Sensibilität für Atmosphären, die in reziprokem Wohlwollen entstehen könne, reagiert ein narzisstischer Mensch meist mit Aggressivität. Um die eigene Beschämung zu kompensieren, richtet er seinen Angriff ungebremst gegen den mutmaßlichen Angreifer, der den Narzissten eventuell demütigen könnte. Wenn also der Planet es nicht schafft, mir genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, wenn er so schwach ist, dass er seine Ausbeutung und seinen Missbrauch nicht bewältigen kann – nun, so denkt der Narzisst, ist es eben abzuwarten, bis wir auf einen lebensfreundlicheren Exoplaneten auswandern können.
Ja, die ökologische Krise ist eine narzisstische Krise. Nicht über Gewissensappelle, nicht über Forderungen einer deontologischen Ethik oder über Berufungen auf einen Wertecodex können wir sie stoppen. Wir brauchen Strategien, um der emotionalen Unterernährung der Narzissten zu begegnen.
MF