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24 Jul
24Jul

Die EU plant aktuell die Züchtung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen zu erleichtern, daher sollen Verfahren, wie die Crispr/Cas-Genschere nicht mehr den EU-Gentechnikregeln unterliegen. 

Die Domestikation von Feldfrüchten hat eine lange Geschichte, in der zufällige Mutationen im Erbgut durch Auswahl und Kreuzung Eingang in Züchtungen gefunden haben. Dieser Jahrtausende lange Prozess kann nun durch CRISPR/Cas9 ganz schnell und zielgerichtet erfolgen. Gentechnisch veränderte Pflanzen lassen sich dann nicht von „natürlichen“ unterscheiden, denn die Technik stößt einen Prozess an, der in der Natur genauso vorkommen könnte. 

Das Erbgut kann pass- bzw. zielgenau angepasst werden. Inzwischen sind über 700 genmeditierte Pflanzen bekannt. Diese weisen Resistenzen gegen Bakterien oder Pilze auf oder haben ein hohes Ertragspotential. Solche Pflanzen benötigen weniger Pestizide, und ggf. weniger Wasser und Dünger. Welternährung gesichert und gleichzeitiger Ressourcenschutz – das klingt nach einer win-win-Situation. 

Doch Gentechnik polarisiert. Denn es gibt erhebliche Vorbehalte und die bürokratischen Hemmnisse, solche Pflanzen im Freiland anzubauen, sind sehr hoch. Und beim bloßen Gedanken an die böse Gentechnik geraten die Emotionen, gerade bei vielen Naturschützern in Wallungen. 

Klar, es gibt ernsthafte Bedenken: Transgene Pflanzen mit bestimmten Resistenzen produzieren ein Toxin, um Schädlinge fernzuhalten. Das kann Einflüsse auf andere Organismen haben. Kommen verwandte Arten in der Umgebung vor, könnten sich diese Eigenschaften weiter verbreiten. Doch das gilt genauso für die konventionelle Züchtung, auch hier können sich die gezüchteten Eigenschaften in bestimmten Ökosystemen ausbreiten. Organismen können Resistenzen gegenüber den gentechnisch veränderten Pflanzen bilden – dagegen könnten wieder neue Sorten entwickelt werden – gegen die sich wieder Resistenzen bilden könnten usw… Die natürlichen Schädlinge könnten dann für die konventionelle Landwirtschaft zum Problem werden. 

Schließlich das Dammbruch-Argument: ist die Technik einmal entfesselt, was folgt dann noch alles? Wo könnte die Technik noch überall ge- und viel mehr missbraucht werden? 

Und ethische Abwägungen, die jedoch auffallend blind gegenüber den positiven Aspekten der Gentechnik in der Landwirtschaft sind. 

Naturschutzverbände wie der WWF, Greenpeace oder der BUND lehnen Gentechnik (weitgehend) ab. Solche Technik gefährde die menschliche und tierische Gesundheit, sei nutzlos und riskant, gemischt mit allgemeiner Kritik an Großkonzernen, kurz: dem Kapital. Doch die Agroindustrie gibt es schon lange – auch ohne Gentechnik. Dazu die Kritik an Monokulturen: doch die gibt es schon lange - auch ohne Gentechnik. 

Die europäische Politik kennt die Bedenken der Bevölkerung und hat trotz Lockerungen immer noch rigide Bestimmung in der EU. Dies mündet in einer gewissen Scheinheiligkeit; 94 verschiedene gentechnisch veränderte-Pflanzen sind in der EU zugelassen (z.B. Mais, Soja und Baumwolle), deren Einfuhr als Lebens- oder Futtermittel in die EU erlaubt ist. Denn andere Länder sind in der Anwendung solcher Techniken schneller; werden wir die Sorten dann aus dem Ausland importieren, weil wir sie nicht anbauen wollen? 

Gesinnungsethischer Moralismus triumphiert über die Urteilskraft. 

Die Heuristik der Furcht hat schon bei der Kernenergie gewirkt, bei der Gentechnik scheint dies ähnlich. Für den Soziologen Ortwinn Renn ist dies das „Risikoparadox“, das hinter der Frage steht „warum wir uns vor dem falschen fürchten“. 

Denn was sind die realen Gefahren der Gentechnik? Dass bei Risiken ein Vorsorgeprinzip gewahrt wird, sollte selbstverständlich sein. Doch leider basieren die Einwände gegen gentechnisch veränderte Pflanzen bisweilen auf diffusen Ängsten - und die oft geäußerten Gesundheitsrisiken sind bislang nicht bekannt. (Pestizide, deren Reduktion Gentechnik ermöglichen könnte, stellen reale Gesundheitsrisiken dar – und freilich gilt auch: Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung sind die größten Gesundheitsrisiken; wir haben´s selbst in der Hand!) 

Vor knapp 10 Jahren konnte schon in einer Metaanalyse basieren auf 147 Einzelstudien gezeigt werden, dass bei dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen die Produktionskosten leicht gestiegen sind jedoch der Einsatz von Pestiziden um 37% gesenkt werden konnte und damit die Einnahmen der Landwirtschaft um bis zu 69% angestiegen sind (Qaim & Klümper 2014. In: PLOS ONE, 11). 

„Follow the Science“ gilt in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nur partikulär. 

Die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaft, ist sehr bemüht, die Gegenargumente zu entkräften und hatte in ihrer Stellungnahme von 2019 schon dafür plädiert, die Freilandforschung stärker als bisher zu ermöglichen und die Innovationspotentiale der Gentechnik in der Landwirtschaft angesichts multipler Krisen stärker auszuschöpfen. 

Die Diskussionen um grüne Gentechnik bleiben sehr emotional und zeigen, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt und etwas mehr nüchterne wissenschaftsbasierte Abwägung könnte in diesem Themenfeld sehr hilfreich sein. 

JR

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