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22 May
22May

Jahrzehnte bestand das deutsche Selbstbild aus der Zuschreibung preußischer Tugenden: Höflichkeit, Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnung beanspruchten Deutsche gerne für sich. Dass hier gleich mehrere ungeprüfte Vorwegannahmen geltend gemacht wurden, blieb dabei meist unbedacht. Zum einen, dass diese Tugenden überhaupt erstrebenswert seien, zum anderen, dass Tugenden einen Wert an sich hätten und schließlich, dass die Beanspruchung derselben auch bereits mit deren Erfüllung, der Umsetzung in konkretes Handeln, korrespondieren würde.

 Wenn wir das gelebte deutsche Umweltbewusstsein betrachten, wird rasch deutlich, dass sich der deutsche Traum der tugendhaften Exzellenz ausgeträumt hat – und wahrscheinlich sowieso nie der Realität entsprach. Dass das deutsche Selbstverständnis auch in anderen Bereichen (die Innovation und Qualität der Technik, die Pünktlichkeit der Bahn, die Zuverlässigkeit der Handwerker etc.) der Wirklichkeit schon lange nicht mehr standhält, ist eine andere Sache.

Spanien gelingt, das Deutschland nicht gelingt: Wenn es an deutschen Badeseen kaum möglich ist, sein Handtuch NICHT auf Tonnen weggeworfener Kippen, Pappbecher und Plastiktüten auszurollen, jeder Berg- und Waldweg mit achtlos entsorgten Gesichtsmasken drapiert ist und jeden Sonntag Morgen die heimischen Gärten von leeren Alkoholflaschen befreit werden wollen, die die „Party People“ einfach nachts über die Zäune geworfen haben, fällt es auf spanischen Wegen und Straßen sofort ins Auge, wenn da Müll liegt: weil es die Ausnahme ist. Nicht erst seit James Q. Wilson und George Kelling 1982 die „broken windows theory“ beschrieben, ist bekannt, dass eine gepflegte respektive vernachlässigte Umgebung verhaltensbeeinflussend wirkt: Wer Vandalismus eindämmen bzw. verhindern will, muss dafür sorgen, dass das Setting sauber und anheimelnd wirkt. Ähnliches können wir bei der Müllentsorgung beobachten: Wo bereits Abfall liegt, gesellt sich schnell weiterer dazu. Das sehen wir auf deutschen Straßen, Wegen und Liegewiesen überall. Die Deutschen scheinen es nicht so mit individueller Verantwortungsübernahme zu haben. In Spanien kann man Stunden durch die Landschaft streifen, ohne auf Weggeworfenes zu treffen. Stattdessen weist ab und an ein Schild darauf hin, dass bitte die Gegend so verlassen wird, wie sie vorgefunden wurde (dass also nicht zurückgelassen wird), dass die Umwelt auf uns Menschen angewiesen ist, damit sie nicht weiter zu Schaden kommt, und überhaupt: dass wir die Natur bitte achten mögen. 

Und so kommt es, dass das durchaus wanderfreudige spanische Volk nicht nur seinen eigenen Müll nicht einfach in die Landschaft wirft. Im Gegenteil: Oft habe ich gesehen, dass sogar der Abfall anderer (meistens von Ausländern, die sich gerne Tugenden auf die Fahne schreiben, ohne sie zu leben) gleich mit aufgelesen und ordungsgemäß entsorgt wird. 


Wie könnte das auch bei uns in Deutschland funktionieren?

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