Die Polyvagaltheorie nach Stephen Porges ist ein Ansatz der zeitgemäßen Traumatherapie. Hierbei wird der Nervus Vagus als Mitspieler neben dem Sympathischen und Parasympthatischen Nervensystem in der Regulierung von unseren animalischen Reaktionen betrachtet: Bei Gefahr zeigt ein Lebewesen je nach Situation und Fähigkeiten Flucht-, Verteidigungs- oder Erstarrungsreaktionen. Diese als Fight, Flight und Freeze bekannten reflexhaften Strategien sind Überlebensmechanismen und galten lange als vom Sympathischen und Parasympathischen Nervensystem gesteuert. Porges, ein amerikanischer Neurowissenschaftler, identifizierte schon in den 1990er Jahren das vagale System als ebenso an der aktivierenden und entspannenden Regulation beteiligt. Das dorsovagale System steuert hierbei Immobilitätsreaktionen das ventrovagale System ist uns Säugetieren vorbehalten: Es ermöglicht uns, durch Beziehungserfahrungen ein Gefühl von Sicherheit zu entwickeln. Nun gilt seine Theorie als bestätigt und wird seit den 2021er Jahren mehr und mehr in die Psychotherapien implementiert.
Doch nicht immer ist es möglich, uns an unseren Mitmenschen, an unserer Gruppe, zu orientieren. Oft sind wir auf uns allein gestellt, können auf kein anderes Verhalten als Regulativ zurückgreifen. Das heißt noch lange nicht, dass das ventrovagale System, das die Selbstregulation des Organismus bewirkt, damit brach läge: Auch im Kontakt mit Tieren und mit der Natur ist das ventrovagale System angesprochen.
Dies scheint der Grund zu sein, weshalb uns ein Spaziergang im Grünen, die stille Kontemplation von Blättern, die sich im Wind bewegen, oder ein Lauf am Fluss so langanhaltend beruhigen und ausgleichen können.
MF