Vieles ist uns egal; muss uns egal sein. Wir können uns nicht ständig mit allen Sorgen, Nöten und Belangen der Welt befassen. Es dient einem gesunden Selbstschutz, der Abgrenzung, nicht alles an sich heranzulassen. Besonders engagierten Menschen, mag diese Einstellung egoistisch anmuten; doch das andere Extrem, das eines Helfersyndroms, ist letztlich auch selbstschädigend. Es gilt eine „gesunde“ Mitte zu finden.
Auch im Konsumismus kann Egalheit hilfreich sein: Ich will nicht zwischen 20 Wassersorten im Supermarkt auswählen, ich habe einen Wasserhahn zu Hause. Döner mit „alles“: es wird erwartet, dass ich ständig weiß, was ich will, dass ich permanent Entscheidungen treffe, mir die Lebens-Zutaten zusammensuche; 25 verschiedene Pizzen beim Italiener, 10 verschiedene Tomatensorten im Supermarkt - ich will nicht täglich hunderte von Fragen beantworten und Entscheidungen treffen; ich will satt und zufrieden sein. Egalheit als Selbstschutz im Konsumismus. Andererseits kann Vielfalt natürlich erfreuen, doch sind mir 10 Schmetterlingsarten im Biergarten wichtiger als 10 verschiedene Biersorten.
Andererseits geht „egal“ auch mit einem gewissen Fatalismus einher: „egal, was ich tue, ich kann eh nix ändern“. Handlungsalternativen ändern nichts an einer Ausweglosigkeit, an einer Unabwendbarkeit beispielsweise der globalen Klimaänderung.
Vielleicht klärt sich die Ambiguität dieser Egalheit durch Gleichgültigkeit, die teilweise synonym dazu verstanden wird.
Denn; ist mir etwas gleichgültig, zeige ich keinerlei Engagement. Gleichgültigkeit kann Empathiearmut bedeuten, wobei dies einem Unvermögen gleichkommt, gleichsam einer ungewollten Teilnahmslosigkeit. Eine herabgesetzte Empathiefähigkeit senkt die Hemmschwelle, anderen unbewusst - aus Gleichgültigkeit - Leid zuzufügen. Im Umgang mit unserer Mitwelt ist dies umso bedenklicher, weil daran ein verringertes Schuldbewusstsein gekoppelt ist, ebenso die Unfähigkeit, tiefe Gefühle für andere zu empfinden und letztlich ein verringertes Engagement, Verantwortung zu übernehmen. Gleichgültigkeit führt auch zu mangelnder Anteilnahme am politischen, sozialen, ehrenamtlichen Leben. Lamentieren statt sich zu engagieren ist eine beklagenswerte Folge. Gleichgültigkeit hat noch eine weitere Dimension; Rückzug, Kommunikationsabbruch. Gleichgültigkeit ist das Gegenteil von Liebe, weil dadurch maximales Desinteresse signalisiert wird.
Noch eine weitere Bedeutung schwingt hier mit: Dinge sind mir gleich gültig, haben den gleichen Wert. Ich vermeide ein Taxieren und Priorisieren.
In der Überwindung dieser verbreiteten Gleichgültigkeit liegt doch ein entscheidender Pfad zur Bewältigung der ökologischen Krise, denn keine Situation ist gleich gültig, weil jeder Mensch einzigartig ist und damit unvergleichlich. Hinzu kommt die Lebensbefristung; so wie jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, kann jede Stunde nur einmal durchlebt werden und jeder Augenblick ist so einzigartig wie unwiederholbar. In der Gewissheit zu leben, dass jede Stunde sinnerfüllt ist, mag ein hehres Ziel sein. Doch erst eine Sinndimension motiviert zum Priorisieren im Leben und damit zum Handeln. Handelnd aktiv zu werden bedeutet sich zu interessieren, zu urteilen, Situationen zum Besseren wenden.
Begegnen wir unserer Mitwelt interessiert und offen, vermeiden wir Gleichgültigkeit und lassen mehr Gelassenheit und Zuversicht zu; Zuversicht, selbst einen Beitrag zum Guten zu leisten.
JR