Das diesjährige Ars Electronica Festival zum Thema „Who owns the truth?“ ist hoch politisch: Staunend besichtige ich die einzelnen Exponate, trete ins Gespräch mit Künatler:innen und Wissenscahftler:innen, höre mir Vorträge an und nehme an Themen-Führungen teil.
Einer der Vorträge des Eröffnungstags bringt mich besonders zum Denken: Leidenschaftlich vorgetragen von Fr. Blaha ist er ein Plädoyer für kollektiven Widerstand, für ein gemeinsames Aufbäumen und Stellungnahme in der Klimakrise.
Einzelne Daten untermauern die Aussage, dass individualistisches Verhalten keinerlei globale Auswirkungen hat: Der ökologische Fußabdruck eines Menschen, der bewusst im Sinne des Klimaschutzes einkauft und konsumiert, unterscheidet sich beispielsweise nicht signifikant von dem eines Menschen, der bei seinen Einkäufen gar nicht darauf achtet. Oder dass nur 100 Unternehmen für 71 % der globalen Emissionsrate verantwortlich zeichnen. Die Klimadiskussionen sind voller Widersprüche: Mehr als 80 % aller Deutschen geben den Klimawandel als ihre größte Angst an – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf und Bildungsstand. Und gleichzeitig zeigen Umfragen, dass genau dieses Thema bei privaten Diskussionen gemieden wird – weil davon ausgegangen wird, dass das Thema die Gesellschaft spalten würde. Doch wenn 80 Prozent der Menschen ähnlich denken – kann da noch von Spaltung die Rede sein? Die selben Umfragen zeigen, dass sich die Menschen Gesetze wünschen, die sie aus ihrer empfundenen Hilflosigkeit befreien könnten: Wenn klar vorgegeben ist, was, auch und gerade in Sachen Umweltschutz und -schaden, zu tun und zu lassen ist, könnten die Debatten etwas von ihrer zu attribuierten Subjektivität verlieren.
Wenn wir als Menschheit Glück haben, kollabiert unser ökologischesd System werst Mitte des Jahrhunderts. Uns bleiben also ca. 25 Jahre, in denen wir den Kopf in den Sand stecken können. Zumindest wir in den nordischen Ländern. Die, die als erstes (wie so oft) den Preis für unseren menschlichen Wahrnehmungsneglekt zahlen, sind ärmere Ländern, sind andere Kontinente. Wir merken nur indirekt aufgrund der entstehenden Flüchtlingswellen die Auswirkungen unserer Verdrängungspolitik. Und dass wir nicht allzu viel davon mitbekommen, nun – dafür wollen dann widerum eher rechts gerichete Parteien und deren Wähler:innen sorgen. Hier mobilisiert sich gewaltige Energie: Mit wehenden Fahnen vereinen die Rechten ihre Kräfte – sie haben wohl erkannt, dass nur zusammen etwas erreicht werden kann. Natürlich gibt es neben dem offenkundigen und / oder eher subtilen Rassismus auch andere Themen rechter Parteien: z.B., dass Klimaaktivismus streng geahntet werden müsste, dass Klimakleber ins Kittchen gehörten, etc. Irritierend ist, dass sich die meisten Rechts-Wählende gegen die Folgen der Folgen des Klimawandels, nämlich Flucht und Migration, richten, und dass sie gegen die Menschen, die durch den Klimawandel ins Exil getrieben werden, vorgehen. Als ob jemand freiwillig aus seinem Kand flüchtet! Es ist schon schwer genug, aus Liebe oder Abenteuergeist in sein Heimatland zu verlassen – flüchten zu müssen, egal, aus welchen Gründen, und noch dazu in ein Land der fehlenden Willkommensmentalität, ist traumatisierend.
Gegen die Schwachen und Geschwächten also verschwört sich rechte Energie und schwingt drohend die Fäuste. Fäuste, mit denen auf der anderen Seite Klimakleber den Verkehr lahmzulegen versuchen. Können wir Synergien bewirken? Können wir die jeweils verpuffenden Kräfte zusammenbringen? Können wir die Klimakleber überzeugen, dass, wenn sie ihre Kraft nicht auf die Straße pappen sondern auf die Straße bringen, höhere Chancen auf Veränderung haben könnten? Können wir die selbstgerechte Rechten, irgendwie, im Dialog erreichen und ihr Gewaltpotenzial für eine gewaltige Umkehr in der Klimapolitik nutzen? Wie kann ein rechts Denkender zur Röson begleitet werden und ihm klar werden, dass er, statt die Folgen der Folgen zu bekämpfen, vielleicht eine Ebene höher agieren könnte, indem er sich die Folgen (der fehl geleiteten Klimapolitik) richtet?
Die breite Masse der Mitt-Gerichteten, der „christlich“ „demokratisch“ Wählenden, treibt träge durch den Strom der Zeit: Hier jemanden aktivieren zu versuchen, wäre Energieverschwendung. Wahrscheinlich bekommen die nicht mal mit, wenn sie zm Grillen im Schrebergarten gar keinen Grill mehr brauchen, weil die Kartoffeln schon in einem Erdloch gar werden.
Wer hat recht, gibt es Recht? Was ist, über den subjektiven Bedeutungsgehalt hinaus, wirklich und wahrhaftig?
Nicht nur aufgrund des Bedeutungsspektrums des Festivaltitels „Who owns the truth?“, der bereits an fake news, Medienmanipulation und falsche Versprechen im Wahlkampf denken lässt, sondern auch aufgrund unserer Ära der „alternativen Fakten“ und der Unmöglichkeit, sich als Einzelwesen in dieser hoch komplexen Welt zurecht zu finden, sind wir gefordert, uns in unserer Gesellschaft zu positionieren. Immer kommt irgendwann ein Moment, in dem wir Aussagen von anderen vertrauen müssen, Wissenschaftler:innen Glauben schenken müssen, auf die Validität diverser Studien setzen müssen. Einzeln schaffen wir kaum etwas, aber es kommt auf jeden Einzelnen drauf an wenn wir etwas bewirken wollen.
MF