Ach, Deutschland, das Land der Dichter, Denker und Mülltrenner. Wo sonst auf der Welt könnte man eine Nation finden, die derart leidenschaftlich ihre Joghurtbecher ausspült, bevor sie sie in den Gelben Sack wirft? Oder mit dem eigenen Behälter in einen "Unverpackt"-Laden geht? Keine Plastiktüten oder Strohhälme im Supermarkt mehr kauft, dafür aus USA importiert? Und die x-te neu erworbene, weil die eigene vergessene, Baumwolltragetasche zu den anderen 100x in die Taschenschublade stopft?
Moment mal: Rettet das wirklich die Welt? Oder drehen wir uns nur wie die sorgsam recycelte PET-Flasche im Kreis?
Man könnte meinen, die Reduktion des Haushaltsmülls sei der erste Schritt auf dem Pfad zur globalen Erleuchtung. Also, liebe Bürgerinnen und Bürger, schnappt euch eure wiederverwendbaren Einkaufstaschen (natürlich aus fair gehandelter Bio-Baumwolle) und tretet in die glorreiche Welt des Minimalmülls ein. Doch Vorsicht: Wer beim Rauspflücken der BAckwaren im Discounter einen der Gummihandschuhe verwendet, hat schon verloren. Die Welt verlangt Perfektion.
Auch die Rettung der eben selben?
Plastikfrei zu leben klingt nach einer noblen Idee. Doch was bleibt uns, wenn wir den Plastikmüll eliminieren? Ach ja, Glas. Aber halt, das ist schwerer und beim Transport klimaschädlicher. Und wenn wir schon dabei sind: Wie viele Ressourcen wurden für deine ach so nachhaltige Edelstahlflasche verschwendet? Es scheint, als sei Nachhaltigkeit ein Minenfeld voller moralischer Stolperfallen.
Und dann ist da noch der Restmüll. Der große, böse Drache unter den Abfallsorten. Wer es wagt, seinen alten Socken nicht sorgfältig auseinanderzuschneiden, um Baumwolle und Elastan separat zu entsorgen, hat das System nicht verstanden. Aber keine Sorge, der Restmüll wird eh verbrannt. Wie beruhigend.
Doch werfen wir einen Blick auf die Zahlen: Im Jahr 2023 fiel in Deutschland ein Haushaltsmüllaufkommen von 36,7 Millionen Tonnen an, was rund 433 Kilogramm pro Kopf entspricht – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2004. Im Vergleich dazu waren es 2022 noch 37,0 Millionen Tonnen (438 Kilogramm pro Kopf) und 2021 gar 40,3 Millionen Tonnen (484 Kilogramm pro Kopf). Seit 2019, als das Aufkommen bei 38,0 Millionen Tonnen (457 Kilogramm pro Kopf) lag, zeigt sich ein deutlicher Abwärtstrend.
Ironischerweise stellen wir fest, dass die Deutschen zwar die Champions im Recycling sind, aber das Klima trotzdem nicht begeistert applaudiert. Während wir akribisch unsere Biomülleimer schrubben, fliegen andernorts Tonnen von Plastik direkt ins Meer. Doch hey, wir haben den Deckel von der Zahnpastatube getrennt, und das ist ja auch etwas, nicht wahr?
Am Ende des Tages bleibt die Frage: Ist die Reduktion unseres Haushaltsmülls ein wichtiger Beitrag oder doch nur eine symbolische Geste grüner Narzissten? Natürlich, weniger ist mehr – zumindest für unser Gewissen. Doch solange die großen Industrie- und Wirtschaftssysteme weitermachen wie bisher, bleibt unser perfekt sortierter Müll vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Planeten.Also, liebe Mitmenschen, macht weiter, trennt euren Müll, aber vergesst nicht: Die Welt wird sich nicht durch eine sauber gereinigte Gurkenglasinnenseite retten lassen. Vielleicht hilft uns ein bisschen Selbstironie dabei, den Müllberg der Überheblichkeit abzutragen.
MF