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27 Jun
27Jun

Das Kommunikation unter Artgenossen nichts typisch Menschliches ist, ist längst bekannt: Bienen teilen mit ihren komplizierten Tänzen Nahrungsquellen mit, Bäume scheinen Informationen mithilfe von Pilzgeflechten auszutauschen: Die Pilzfäden umschlingen die Baumwurzeln, dringen teils in sie ein und leiten so Flüssigkeit und Nährsalze an die Bäume weiter. Dafür erhalten die Pilze für sie lebenswichtigen Zucker, den sie selber nicht herstellen können. Die Bäume nutzen wohl zudem das Pilzgeflecht, um Warnsignale an ihre Artgenossen, die anderen Bäume des Waldes, weiterzuleiten: So warnen sie z.B. vor Schädlingsangriffen. Doch bislang ging man davon aus, dass verbalisierte Sprache mit einer spezifischen Semantik und Grammatik ausschließlich der menschlichen Spezies vorbehalten sei.  

Jetzt allerdings gibt es erste stichhaltige Hinweise darauf, dass auch andere Tiere Laute nutzen, um sogar Sätze zu bilden: Die Forschergruppe um  Maël Leroux von der Universität Zürich untersuchte das Verhalten von wilden Schimpansen in Uganda und führte verschiedene Experimente (nicht invasiver Art) mit den Affen durch. 

Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass Schimpansen zwischen „Huu“- und „Waa“-Rufen unterschieden und diese sogar kombinierten – was jeweils unterschiedliche Reaktionen bei den übrigen Gruppenmitgliedern hervorrief.  Lerouxs Fazit: „Schimpansen produzieren ‚Huu‘-Rufe, wenn sie überrascht werden, und ein ‚Waa‘-Gebrüll, wenn sie bei Aggressionen oder bei der Jagd Unterstützung brauchen. Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die Tiere mehrere Rufe kombinieren, wenn sie einer Bedrohung ausgesetzt sind und andere Gruppenmitglieder zur Verteidigung rekrutieren wollen.“ Damit ist ein wesentliches Merkmal menschlicher Sprache, nämlich Sätze aus einzelnen Worten bilden zu können, auch bei den Affen erfüllt. So könnte der Ursprung der Sprache schon bei den gemeinsamen Vorfahren von Schimpansen und Menschen vor 6 Millionen Jahren liegen. 

Wer weiß: Wenn sich der Mensch von seiner Hybris verabschiedet, das einzig sprach- und vernunftbegabte Wesen zu sein, kann er vielleicht seine Stellung innerhalb der Welt relativieren. Vielleicht kann er inneren Frieden finden, wenn er der Natur und ihren Wesen ihre Würde zurück attribuiert, wenn er der Welt achtungsvoller begegnet. Vielleicht ist es irgendwann möglich, wenn wir die uns umgebenden Dinge als empfindsame Subjekte betrachten, schlussendlich auch ihre Sprache zu decodieren. Dann werden vielleicht  Botschaften und ihre Bedeutung der Natur nicht nur Gegenstand der Dichtung sondern der Wissen- schaf(f)t.


 Clemens Brentano (1778–1842) Sprich aus der Ferne (1801) Sprich aus der Ferne
Heimliche Welt,
Die sich so gerne
Zu mir gesellt. Wenn das Abendrot niedergesunken,
Keine freudige Farbe mehr spricht,
Und die Kränze still leuchtender Funken
Die Nacht um die schattigte Stirne flicht: Wehet der Sterne
Heiliger Sinn
Leis durch die Ferne
Bis zu mir hin. Wenn des Mondes still lindernde Tränen
Lösen der Nächte verborgenes Weh;
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
Schiffen die Geister im himmlischen See. Glänzender Lieder
Klingender Lauf
Ringelt sich nieder,
Wallet hinauf. Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht,
Und die Büsche gar wundersam schauen,
Alles sich finster tiefsinnig bezeugt: Wandelt im Dunkeln
Freundliches Spiel,
Still Lichter funkeln
Schimmerndes Ziel. Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
Bietet sich tröstend und traurend die Hand,
Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Alles ist ewig im Innern verwandt. Sprich aus der Ferne
Heimliche Welt,
Die sich so gerne
Zu mir gesellt.

MF

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