1 Minuten Lesezeit
16 Oct
16Oct

Seit 36 Jahren esse ich vegetarisch, seit 32 vegan. Mein Beweggrund war damals sicher nicht der Umweltschutzaspekt – der Konsum von tierischen Produkten und dessen Auswirkung auf unsere Umwelt war damals eher noch ein unbekannter Aspekt. Ich war damals Kind, und das, was mir wichtig war, war das Leben und Sterben unsere Mitgeschöpfe. Also ließ ich das Fleischessen sein, und einige Jahre später, dann im jugendlichen Alter, eignete ich mir die wirklich vegane Lebensweise an. Einige wenige Male musste ich in dieser Zeit doch Milchprodukte konsumieren, z.B. als ich in der Mongolischen Steppe bei einer Nomadenfamilie auf getrockneten Käse und einen Becher Stutenmilch zurückgreifen musste.
Wie oft ich mich wegen meiner Ernährungseinstellung verteidigen musste, weiß ich nicht – ich habe aufgehört, die zahlreichen Angriffe zu zählen: „Aber Pflanzen haben auch Angst!“, „Die spüren auch Schmerz!“ wurde mir, meist von eingefleischten Karnivoren, unreflektiert und nicht falsifizierbar vorgesetzt. Habe ich deswegen wieder begonnen, Fleisch zu konsumieren? Natürlich nicht.
Mit dem Finger auf andere Menschen zu zeigen, die anders leben, andere Einstellungen haben, hat diese bislang selten zu einer Verhaltensänderung, die wir uns aus der Perspektive des Mittelpunkts unserer eigenen kleinen Welt wünschen, bewegt. Abstrakta wie „die Wirtschaft“, „die Konzerne“, „die Gesellschaft“ anzusprechen, erscheint noch wenig sinnvoll. Genauso suspekt wirkt auf mich die Subsumption des Individuums unter „die vegane Community“ oder „Team Artenvielfalt“ etc.
Der weg zur echten Verantwortungsübernahme kann m.E. nur durch die Bewusstwerdung des eigenen Ichs mitten in der durch uns beeinflussten Welt geschehen: durch die Re-Individualisierung.
Ich glaube, wenn jeder für sich seine Motivation, die ihn zu seinem Verhalten, mithin zu seiner Lebensweise führt, konsequent hinterfragt, wird es damit unmöglich, sich hinter Sammelbegriffen und -ismen zu verstecken. Es wird genauso unmöglich, sich auf sich selbst auszuruhen, indem mit dem Finger auf andere gezeigt wird, ihnen die Schuld am Zugrundegehen unserer Welt zuweisend.

Wie wir uns verhalten, müssen wir, jeder einzelne von uns, verantworten – ob viele, alle oder wenige es so tun wie wir, legitimiert unser Handeln nicht, macht es nicht richtiger oder falscher. Woher weißt du, dass der Planet sich nicht mehr retten lässt, wenn du es nicht einmal versuchst?


MF

Kommentare
* Die E-Mail-Adresse wird nicht auf der Website veröffentlicht.